Die östliche Seite der Stadtmauer vom Schulturm bis zur Stadtpfarrkirche passt sich dem Verlauf des steil abfallenden Geländes an. In manchen Bereichen ist sie auf der Stadtinnenseite nicht viel höher als etwa 30 cm. Es gibt aber auch Bereiche, wo die Stadtmauer in das Untergeschoß der direkt über der Mauer errichteten Häuser reicht.
Der Passauer Turm hinter dem Haus Schulgasse 14 trägt als einziger seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis heute nahezu ununterbrochen diesen Namen. Der Ursprung des Namens ist nicht geklärt. Vermutlich rührt er aber von der Diözese Passau her, zu der ja die Stadt Zwettl – wie das gesamte Waldviertel – vom Mittelalter bis zur Gründung der Diözese St.Pölten im Jahre 1784 gehörte. Der Turm tritt halbkreisförmig aus der Flucht der Stadtmauer hervor, an der er angebaut ist. Er besitzt drei Geschoße und hat an der Stadtaußenseite eine Höhe von 9,5 Meter. Sein unterstes Geschoß dient durch Jahrhunderte als Stadtgefängnis. Es hat auch noch einen gestampften Lehmboden, und ist nur durch eine Falltür in seiner Decke erreichbar. Die oberen beiden Geschoße des Turmes werden bis heute bewohnt. Zu ihrer Belichtung werden nachträglich zwei relativ große Fenster ausgebrochen.
Der Abschnitt zwischen Passauerturm und Moserturm zeichnet sich vor allem durch die vorgelagerten Terrassen aus. Die eigentliche Stadtmauer schrumpft optisch auf eine höhere Gartenmauer. Dieser Eindruck wird durch den aufgesetzten Gartenzaun in der Schulgasse noch verstärkt. Gleich nach dem Passauerturm verstärkt ein Stützpfeiler die Stadtmauer. Insgesamt gibt es drei dieser Pfeiler.
Hinter dem Haus Schulgasse 10 verbirgt sich der Moserturm, den wir nun besuchen werden. Wir wandern die Schulgasse weiter und biegen knapp vor ihrem Ende links Richtung Parkgarage ab. Über eine Holztreppe an der Außenseite der Stadtmauer kommen wir zum Moserturm.
Der Moserturm steht in der Stadtmauer wie ein Schiffsbug. Sein Grundriss entspricht einem konvexen, dreiseitigen Prisma. Der Turm mit einem Walmdach und mit Eternitschindeln eingedeckt ist nach wie vor bewohnt. Die Fenster werden nachträglich vergrößert. Der Turm trägt heute noch den Namen der Familie Moser, die ihn zwischen den Jahren 1870 und 1961 besitzt.
Vom Moserturm bis zur Stadtpfarrkirche verläuft die Stadtmauer alles andere als geradlinig. Die Mauerhöhe variiert ebenfalls stark. Weite Teile weisen unterschiedlich hohe Terrassen auf der Stadtaußenseite auf. Über die gesamte Länge dieses Abschnittes bis auf das letzte Stück bei der Kirche sind die Gebäude der Stadt direkt an bzw. auf die Stadtmauer gebaut. Diese steht in manchen Bereichen direkt auf dem Felsen. Das Stiegenhaus der Parkspirale in unmittelbarer Nähe zur Stadtmauer setzt besondere Akzente.
Ein markanter überdachter Holzstiegenaufgang prägt den nächsten Abschnitt der hohen Stadtmauer. Zuvor steht ein angebauter Holzschuppen, der fast die ganze Mauer verdeckt. Gleich danach sieht man unter einer rechteckigen verputzten Stelle zwei Pfostenköpfe aus der Mauer ragen. Eine alte Zeichnung, das Entstehungsjahr ist uns unbekannt, löst das Rätsel. Es handelt sich um einen ehemaligen halbrunden überdachten Balkon.
Unterhalb der Stadtpfarrkirche zeigt die Stadtmauer ein unterschiedliches Bild in Form und Höhe. Die Mauer sieht bei jedem Grundstück etwas anders aus. Außerdem gibt es die verschiedensten Vorbauten, oft in Form eines Gartens.
Am unteren Ende der Landstraße steht bis 1860 das Niedere Tor mit zugehörigem Torturm. Es heißt auch Kremser Tor. Gegen die Kampbrücke ist es durch eine vorgelagerte dreiviertelkreisförmige Barbakane zusätzlich abgesichert. Hinter dem Tor steht die Stadtkirche mit einem mächtigen Westturm, der damals auch als innerer Torturm gedient hat und eine direkte Sichtverbindung zum Oberen Tor und zum Oberhofer Tor herstellt. Im Jahre 1854 wird der Kirchturm umgebaut und bekommt sein heutiges Aussehen. Vor dem Tor steht das kleine Mauthaus, das die alte Zeit sehr lange überlebt hat, wie eine Fotoaufnahme zeigt.
Bis zur Habsburggasse ist die ehemalige Stadtmauer verschwunden. Den Verlauf kann man anhand der Grundstücksgrenzen noch sehr schön nachvollziehen (Foto rote Linie).