In unserer Reihe „Abseits der Tour“ sind wir in Hypolz, einem Weiler südöstlich von Groß Gerungs, im Zwettltal gelegen. Zum Ort mit durchwegs modernisierten Vierseithöfen, einer Kapelle und einigen Kleinhäusern zählt mit der Hausnummer 1 die Hypolzmühle.
Der Name Hypolz, der etymologisch (nach seiner Wortherkunft) als „Siedlung eines Mannes mit dem Namen Hiltpolt“ zu deuten ist, begegnet uns in den Quellen erstmals im Jahre 1374. Damals verkauft Hans der Stuchs von Trautmannsdorf an Frau Gisela, Witwe des Weikhart von Groß Pertholz unter anderem seine zwei Drittel Zehente auf 9 Lehen und 2 Hofstätten zu Hypolz.
Der nächste Beleg findet sich aus dem Jahre 1381, als erstmals die damaligen Herren auf Rappottenstein im Ort nachweisbar sind. Ein gewisser Niclaß Hecht verkauft unter anderem Gülten zum Hypolz an Herrn Ulrich und Georg von Dachsberg auf Rappottenstein.
Im Jahre 1382 wird die Mühle erstmals offiziell erwähnt. In diesem Jahr tritt die Pfarre Groß Gerungs zum ersten Mal als Grundherr in Hypolz in Erscheinung. Niclas von Weyssenbach, Pfarrer zu Gerungs, führt an, dass er einen 3. Priester aufgenommen hat, welcher in der Frauenkapelle der Pfarrkirche jede Woche fünf Messen lesen sollte. Zu dieser Kapelle haben die „Ehrbare[n] Leuth Andreas und Gebhard“, sein Sohn, eine Stiftung gewidmet, die Geld- und Naturaldienste umfasst. Unter anderem zählt eine Mühle ihr Eigen und ist „zu dem Fillpolz gelegen“.
Kurz nachdem die Zwettl die Weißmühle passiert hat, trifft sie auf die Wehr der Hypolzmühle. Die alte Wehranlage und der Mühlbach, der noch teilweise als Blocksteingerinne ausgeführt ist, sind noch erhalten. Betrieben wird die Mühle, die daneben befindliche Säge und die Walkerei ursprünglich durch zwei oberschlächtige Wasserräder. Im Jahre 1941 wird ein Wasserrad gegen eine Francis Turbine ausgetauscht, die noch immer den Strom für die Mühle und das Wohnhaus liefert.
Die heutige Einrichtung der Mühle ist noch vollständig erhalten, entspricht dem Stand der Technik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Der Müller geht vom Wohnhaus durch einen Verbindungsgang in die Mühle.
Wir betreten sie an der südlichen Seite, dort wo auch die Bauern das Getreide anliefern und starten mit einer Führung. Auf dem sogenannten Walzboden im Erdgeschoss der Mühle befinden sich eine Schälmaschine, ein Mahlgang und ein Walzenstuhl. Wir lernen unter anderem Begriffe wie Aspirateur, Trieur, Rentabel und Riffelwalze kennen.
Nach einem kurzen Besuch im Keller, wo man die alte Francis Turbine schnurren hört, geht es wieder zwei Stockwerke höher in den 1. Stock, dem sogenannten Mehlboden und darüber auf den Sichterboden.
Hier oben wird geputzt, gesiebt, gelagert und zum Abtransport hergerichtet. Zu den bereits bekannten Begriffen kommen nun weitere, wie der Plansichter, Schnecken und Becheraufzüge. Dazwischen liegt ein großes Lager mit mehreren hölzernen Kammern, die sogenannten Reserven, für geputzte Körner, Mehl, Kleie und Gries.
Nun, es gäbe noch viel zu erzählen und zu erklären, aber wir wollen die Führung nicht ersetzen. Man sollte selber eintauchen in die Welt des Müllerhandwerks umgeben vom industriellen Erbe alter Zeiten, deren Geschichte, Technik und Architektur.
Wir verlassen die Mühle, die mit ihren steilen Holztreppen, den großen hellen Industriefenstern und den alten noch funktionsfähigen Maschinen beeindruckt. Zwischen Mühle und Wohnhaus geht es Richtung Straße vorbei an der Zwettl und dem Werksbach, der zum ehemalige Sägewerk Fürst fließt. Aber das ist eine andere Geschichte.<
Begriffserklärungen:
Der Trieur (auch: Zellenausleser) ist ein Gerät zur Reinigung von Getreide. Alle Körner, die sich in der Länge vom Hauptgut unterscheiden, können so ausgelesen werden.
Bevor das Getreide gemahlen wird, muss es verschiedene Reinigungseinrichtungen durchlaufen. Die erste Reinigung übernimmt hierbei der Aspirateur. In ihm werden zwei verschiedene Arbeitsgrundsätze angewendet, nämlich die Trennung von Stoffen nach unterschiedlichem Gewicht in einem Luftstrom und die Trennung nach unterschiedlicher Größe durch schwingende Siebe.
Die Spitz- und Schälmachine, Marke Rentabel, ist eine um 1900 gefertigte Originalkonstruktion der Wiener Mühlenbauanstalt Anton Besser.
Ein Plansichter ist ein Sichter in der Mühle zur Trennung der Kornbestandteile, die nach der Mahlung auf dem Walzenstuhl in einer Mühle anfallen.
Liegt am Weg unserer Wanderungen: ● Waldviertler Vier-Märkte-Weg 612 – Teil 1 ● Von Groß Gerungs zum Friesenhof ● Winterwandern am Pulverturmweg |