Die Stadt Weitra im nordwestlichen Waldviertel bezeichnet sich selber als „Das Tor zum Waldviertel“. Und tatsächlich macht sie mit dem weit hin sichtbaren und dominierenden Renaissanceschloss einen beachtlichen Eindruck. Wir lassen die Stadt aber rechts liegen und begeben uns hinab in das Tal der Lainsitz, dem Ledertal, mit der ältesten Vorstadt von Weitra.
Beim markantesten Bauwerk im Ledertal, dem langgestreckten Baukomplex des Bürgerspitals, das direkt am Fluss liegt, starten wir unsere Tour.
Im Jahre 1340 lässt der Weitraer Stadtrichter Chunrat Marchart den Bau eines Bürgerspitals beginnen, einer Versorgungsstätte für alte, kranke und verarmte Bürger. Nach dessen Tod vollendet 1341 seine Witwe Margarete das Werk und bestiftet es reich. Die frühgotische Apsis und die ersten beiden tonnengewölbten Joche der Spitalkirche (Heiligengeistkirche) stammen aus der Gründungszeit des Bürgerspitals. In spätgotischer Zeit erweitert man die Kirche durch den Anbau des dritten, etwas größeren, kreuzrippengewölbten Jochs.
Im Zuge der Restaurierungsarbeiten (1970-1973) kommen bemerkenswerte Malereien, die zum Teil aus der Bauzeit der Kirche stammen, zum Vorschein. Die Ostwand des Langhauses trägt außen ein Fresko des Heiligen Christophorus (vermutlich zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts), das 1971 vom akademischen Restaurator Ludwig Peyscha restauriert wird.
Der an die Heiligengeistkirche anschließende Spitalsbau wird in der Barockzeit neu gebaut (1729-1731). Dem Bürgerspital gegenüber steht etwas erhöht der alte Getreidekasten, ein mittelalterlicher Zweckbau.
Beim letzten Haus beginnt der Weg, dem wir nun flussaufwärts bis zur alten Brücke über den Wultschaubach folgen. Die zumeist flache und mit vielen Steinen durchsetzte Lainsitz windet sich durch das Tal. Auf der ersten Wiese zwischen Lainsitz und Waldrand befinden sich eine Kneippanlage und ein Barfußpark, beide witterungsbedingt noch im Winterschlaf.
Kurz darauf kommen wir beim etwas höher liegenden Louisenstein (1864) vorbei.
Nun ist etwas Geschichtsunterricht notwendig.
1201 gründet der Kuenringer Hadmar II. die Burgstadt Weitra. Den Kern der Bevölkerung bilden damals Ackerbürger. Seit 1296 ist dann die Stadt im Besitz der Habsburger. Erst im Jahre 1582 schenkt Rudolf II. „Wolf Rumpf Freiherrn vom Wielroß“ Burg und Stadt Weitra. Nach dessen Tod im Jahre 1607 fallen die Besitztümer an die Familie Fürstenberg, die bis 1848 die Grundherrschaft innehatte und immer noch Eigentümer des Schlosses und des dazugehörigen Großgrundbesitzes in der Umgebung ist.
Das ganze Tal war früher ein Park, ein Produkt der Romantik des 19. Jahrhunderts. Die Initiative zur Anlage des Parks kommt von der adeligen Herrschaft. Der Oberamtmann Franz Weyringer lässt 1843 auf beiden Seiten der Lainsitz von Arbeitern der Herrschaft gut begehbare Wege anlegen, Steinbänke aufstellen, einen Steg und einen Springbrunnen errichten.
Das Tal trägt den Namen von Gabriele Fürstenberg (*1821), verheiratete Pallavicini. Die Carolinenwiese ist benannt nach Caroline Fürstenberg (*1809), geborene Auersperg. Ihre Töchter Theresia (*1839), Louise (*1840) und Gabriele (*1844) werden geehrt durch die Anlage des Theresiensteigs (1864), des Louisensteins (1864) und der Gabrielenhöhe (1865).
Am Ende biegen wir rechts in das Tal des Wultschaubaches ein. Bei der Brücke mit einem alten Straßenwegweiser biegen wir links ab. Hier verläuft früher die Landstraße von Weitra Richtung Wultschau und Reinprechts.
Kurz darauf überqueren wir auch die Lainsitz, biegen links ab und stehen vor einer Wehr die im Jahre 1902 für das E-Werk errichtet wird. Das Wasser wird in einem abgedeckten Kanal Richtung Weitra geleitet.
Ein Pyramidenstein mit färbiger Steintafel gibt der vor uns liegenden Wiese seinen Namen „Carolinen Wiese 1865“. Am Lainsitzufer steht etwas erhöht ein Pavillon und am anderen Ende steht ein Eisenkreuz auf einem natürlichen Felsen mit folgender Inschrift: „AD gLorIaM ChrIstI eXstrVCta CrVX“ (ergibt die Jahreszahl 1883).
Im Jahre 1854 setzen die Weitraer Bürger ihrem Kaiser anlässlich seiner Vermählung eine dreiseitige Pyramide mit den Inschriften „I.I. K.K. M.M. FRANZ JOSEF I. UND ELISABETH“, „AM XXIV. APRIL MDCCCLIV DEM VERMÆHLUNGSTAGE“, „VON WEITRAERN GEPFLANZTE EICHEN.“.
Kurz darauf treffen wir auf einen weiteren Steg und gegenüber befindet sich der Springbrunnen. An der Front des Steinhaufens steht noch die Platte mit der verwitternden Inschrift: „VVEYRINGER AVTORI AMBVLACRI FONTISQVE HVIVS LAVDANS CIVITAS N 1785 M 1852“. Mit dieser Inschrift wird im Jahre 1852 der Urheber des Weges und der Quelle durch die Stadt Weitra geehrt.
Und schließlich gibt es noch einen weiteren Gedenkstein: „DEN SCHMUCK GAB DEM THALE DIE NATUR DEN NAMEN IM J. 1843 LANDGRAEFIN GABRIELE FÜRSTENBERG.“
Kurz vor Weitra steht das Kleinwasserkraftwerk der Hammer- und Gesenkschmiede Wiesinger. Mit 700.000 kWh durchschnittlicher Jahresleistung liefert es Strom für mehr als 100 Haushalte. Die Zentrale wird im Jahre 1901 erbaut und einige Komponenten der Anlage sind seit über 111 Jahren intakt, wie zum Beispiel der 850 Meter lange Freispiegelstollen. Hier kommt also das Wasser wieder zu Tage.
Etwas oberhalb des Kraftwerkes findet man einen Stein mit dem Stadtwappen und der Jahreszahl 1903.
Das letzte Denkmal nahe der Stadt in Form eines Obelisken ist dem ehemaligen Bürgermeister Dr. Johann Kordik gewidmet. Der Stein mit Bildmedaillon steht seit dem Jahre 1891 an diesem Platz. Der Arzt Kordik steht in auch in besonderer Beziehung zum Gabrielental selbst, entdeckt er doch 1851 die Heilkraft der heute nach ihm benannten Quelle, die sich oberhalb des Gedenksteines befindet.
Wir sind wieder beim Bürgerspital, unserem Ausgangspunkt angekommen.